Mathematiker des Monats Februar 2016
Johannes Tropfke (1866-1939)
von Menso Folkerts
Johannes Tropfke
Johannes Tropfke
 
Johannes Tropfke gehört zu den bedeutendsten Mathematikhistorikern in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts. Er wurde als ältester von zwei Söhnen des Tischlermeisters Franz Tropfke und seiner Ehefrau Bertha Helene, geb. Wichmann, am 14. Oktober 1866 in Berlin in der Marienstraße 14 geboren. Sein Geburtshaus war um 1830 von seinem Großvater Franz Joseph Tropfke erbaut worden und gehört zu den wenigen Häusern in der früheren Spandauer Vorstadt, die den 2. Weltkrieg überstanden haben.
Gedenktafel fuer J. Tropfke
Gedenktafel am Haus Marienstraße 14
Nach der Reifeprüfung 1884 am Friedrichs-Gymnasium in Berlin studierte Tropfke an der dortigen Universität Mathematik und Naturwissenschaften. Im Jahr 1889 erwarb er die Lehrbefähigung für Mathematik, Physik und Philosophische Propädeutik an Gymnasien, und er wurde bei Lazarus Fuchs (1833-1902) an der Universität Halle mit der Dissertation „Zur Darstellung des elliptischen Integrales erster Gattung“ zum Dr. phil. promoviert. Tropfke unterrichtete zunächst am Friedrichs-Realgymnasium und am Dorotheenstädtischen Realgymnasium und war von 1913 an bis zum Eintritt in den Ruhestand (1932) Direktor der neu gegründeten Kirschner-Oberrealschule in Berlin-Moabit. 1907 wurde ihm der Professorentitel verliehen. Von 1907 bis 1920 gehörte er als Vertreter der DVP der Berliner Stadtverordnetenversammlung an. Johannes Tropfke und seine Ehefrau Frida, geb. Thyssen, hatten einen Sohn Erich, der im 1. Weltkrieg fiel, und eine Tochter Elisabeth. Tropfke starb am 10. November 1939 in seinem Geburtshaus und wurde auf dem St. Johannis-Friedhof begraben.
Angeregt durch Hermann Hankels Buch „Zur Geschichte der Mathematik im Altertum und Mittelalter“ (1874) befasste sich Tropfke mit der Mathematikgeschichte. Er erkannte, dass der Mathematikunterricht anregender wird, wenn die Geschichte der Teildisziplinen sowie die Entstehung und Entwicklung der mathematischen Fachsprache berücksichtigt wird. Tropfkes Lebensleistung besteht darin, das hierfür grundlegende Werk geschaffen zu haben. Er veröffentlichte 1902/03 die erste Auflage seiner „Geschichte der Elementar-Mathematik in systematischer Darstellung“ in zwei Bänden. Anders als in den bis dahin üblichen Geschichten der Mathematik, ist dieses Werk nicht chronologisch, sondern nach Teilgebieten geordnet und informiert nach Art eines Lexikons über die Geschichte der einzelnen Sachverhalte und Sätze. In den Jahren 1921-1924 erschien die zweite Auflage dieses Werkes in sieben Bänden (1. Rechnen; 2. Allgemeine Arithmetik; 3. Proportionen und Gleichungen; 4. Ebene Geometrie; 5. Ebene Trigonometrie, Sphärik und sphärische Trigonometrie; 6. Analysis und analytische Geometrie, 7. Stereometrie). Bei dieser Auflage, die auf intensivem Studium der Quellen beruht, wurde Tropfke von dem Mathematiker Gustaf Eneström (1852-1923), dem Wissenschaftshistoriker Julius Ruska (1867-1949) und vor allem dem Mathematikhistoriker Heinrich Wieleitner (1874-1931) unterstützt. Aufgrund neuerer Forschungen nahm Tropfke eine 3. Auflage in Angriff, von der die drei ersten der geplanten sieben Bände zu seinen Lebzeiten erschienen (1930, 1933, 1937). Der Münchner Mathematikhistoriker Kurt Vogel (1888-1985) stellte den 4. Band fertig (1940) und war gemeinsam mit Karin Reich und Helmuth Gericke für eine 4. Auflage der ersten drei Bände (1980) verantwortlich. Tropfkes Vorarbeiten zu den weiteren Bänden gingen 1945 verloren. Bis heute ist Tropfkes „Geschichte der Elementarmathematik“ die einzige umfassende systematische Darstellung dieses Gebiets. Tropfke gehörte zu den ersten Mitgliedern der Académie Internationale d’Histoire des Sciences und erhielt 1939 die Leibniz-Medaille der Preußischen Akademie der Wissenschaften.
 

Bildnachweis

Porträt   Ölgemälde von Fritz Schlüter, 1932
Gedenktafel   Wolfgang Volk, Berlin, aufgenommen am 2. Juli 2015