Mathematischer Ort des Monats September 2017
Preußischer Normalhöhenpunkt 1879 in Berlin-Kreuzberg
von Wolfgang Volk
 
Stele
Stele zum Normalhöhenpunkt 1879
 
Auf dem Fromet-und-Moses-Mendelsohn-Platz im Berliner Bezirk Kreuzberg, dort wo bis zum Jahr 1912 die Königliche Sternwarte zu Berlin stand und an ihr der Normal-Höhenpunkt 1879 sichtbar vermarkt war, ist nun eine Stele zu finden, die an diesen Normal-Höhenpunkt erinnert.
Diese Stele wurde im Jahr 2012 errichtet, also exakt 100 Jahre nachdem das Gebäude der Sternwarte abgerissen wurde und die Vermarkung des Normalhöhenpunkts verloren ging.
Rueckseite im Detail
Rückseite mit Beobachtungsspalt und Grundriss der Sternwarte
 
Diese Stele ist auf der linken Vorderseite in Form einer Nivellierlatte gestaltet. In Höhe des früheren Normal-Höhenpunkts, der genau 37,000 m über N.N. markierte, besitzt sie eine Aussparung. Auf der Rückseite der Stele befinden sich einige Sprossen, so dass man einen Blick in der genannten Höhe erleben kann. Ferner ist der Grundriss der Berliner Sternwarte mit der Lage der Vermarkungen dargestellt, und darunter eine ausführliche Beschreibung, die nachfolgend wiedergegeben wird1):
 
Preußischer Normalhöhenpunkt
An dieser Stelle befand sich bis zum Abriss der Berliner
Sternwarte im Jahr 1912 der Preußische Normal-
Höhenpunkt 1879: Er markierte die Höhenbezugsfläche
Normal Null (N.N.), die nach der Definition exakt
37,000m unterhalb dieses Punktes verläuft.
Die Höhe des Normal-Höhenpunkts wurde vom
Amsterdamer Pegel durch präzise geometrische
Höhenmessungen mit Nivelliergeräten bei einer
Genauigkeit von etwa einem Zentimeter bestimmt.
In den 1830er Jahren setzte in Deutschland die
Industriealisierung ein. Man begann mit dem Bau von
Eisenbahnlinien, Schifffahrtskanälen und Straßen.
Dafür benötigte man ein genaues und landesweit
zusammenhängendes Netz von Höhenfestpunkten in
einem einheitlichen System. Die Höhenmessungen im
preußischen Staatsgebiet wurden jedoch vor 1879
auf verschiedene für den jeweiligen Zweck gewählte
Nullpunkte bezogen. Weit gebräuchlich waren
Höhenangaben vom Nullpunkt eines Meerespegels
(langjährig beobachteter Mittelwasserstand), ins-
besondere des Amsterdamer oder des Swinemünder
Pegels aber auch andere Häfen der Ost- oder Nordsee.
Teilweise wurden für Spezialvermessungen auch der
Nullpunkt eines in der Nähe liegenden Flusspegels oder
ein anderer geeignet erscheinender Punkt zugrunde
gelegt. Es war nicht möglich, die in verschiedenen
Landesteilen ausgeführten Messungen miteinander zu
verbinden und auf einen gemeinschaftlichen Nullpunkt
zu beziehen. Zwischen den Systemen gab es Sprünge
in der Höhenlage.
Vom preußischen Central-Direktorium der
Vermessungen wurde im 1876 beschlossen, einen
Normalhöhenpunkt als sichtbare Bezeichnung für
sämtliche Höhenbestimmungen im preußischen Staat
festzulegen. Als Nullpunkt wurde der Amsterdamer
Pegel gewählt.
Der Normalhöhenpunkt sollte an einem Ort in zentraler
Lage eingerichtet werden und zwar weder an der
Küste noch im Gebirge, sondern auf altem Boden der
Hebungen und Senkungen weniger ausgesetzt ist. Auf
Basis eines Gutachtens des Direktors der Königlichen
Sternwarte zu Berlin, Professor Dr. Förster, wurde der
Normal-Höhenpunkt an einem der Beobachtungspfeiler
der Berliner Sternwarte angebracht.
Dieser zentrale Punkt wurde Normal-Höhenpunkt für
das Königreich Preußen genannt, für die vom Normal-
Nullpunkt gezählten Höhen galten die Bezeichnung
„Höhe über Normal-Null“ bzw. „Höhe über N. N.“ Dieses
Höhensystem galt bis zum Jahr 2000. Seit dem 1. Januar
2000 wird in ganz Deutschland das Höhensystem
auf Normalhöhen umgestellt. Mit dem neuen System
wird ein wichtiger Faktor in der Höhenmessung
berücksichtigt, das Schwerefeld der Erde. Nun werden
an die Messwerte mathematische Korrekturen aufgrund
der Einflüsse der unterschiedlichen Verteilung der
Erdmassen angebracht. Seither gilt in der deutschen
Landesvermessung die Bezeichnung „Höhe über
Normalhöhennull“ bzw. „Höhe über NHN“. Nullpunkt
des Systems ist übrigens weiterhin der Pegel in
Amsterdam. Der Unterschied zwischen N.N. und NHN
beträgt in Berlin in etwa 1 Dezimeter.
Aufgrund des geplanten Abrisses der Sternwarte
erfolgte 1912 eine Verlegung des preußischen Normal-
Höhenpunktes von Berlin zu einer heute noch als
Teil des deutschen Haupthöhennetzes bestehenden
geodätischen Ersatzpunktgruppe nach Müncheberg-
Hoppegarten (45 km ostwärts) in Brandenburg
(Normalhöhenpunkt 1912).
 
Es sei darauf hingewiesen, dass die Beschreibung nicht nur in deutscher Sprache, sondern auf der Stele auch in der englischen wiedergegeben ist. Weitere Informationen können [1] und [2, S. 36ff] entommen werden.
Historische Darstellung
Der Nordflügel der Sternwarte mit dem Normalhöhenpunkt 1879 in einer historischen Darstellung
 
Auf dem obersten Bild ist zu erkennen, dass das Kopfsteinpflaster so gestaltet ist, dass der Gebäudegrundriss der Sternwarte zu erkennen ist, soweit das Terrain nicht anderweitig wieder bebaut ist.
 

Referenzen

[1]   Landesvermessung und Geobasisinformation Brandenburg (LGB) und Senatsverwaltung für Stadtentwicklung und Umwelt, Abteilung III - Geoinformation, Referat B - Geodätische Referenzsysteme: Preußischer Normal-Höhenpunkt2), Flyer
[2]   Landesvermessung und Geobasisinformation Brandenburg (LGB) und DVW Berlin-Brandenburg e. V. (Hrsg.): Auf den Spuren der Landesvermessung in Berlin und Brandenburg3), Broschüre März 2014, ISBN 978-3-7490-4187-9
 

Bildnachweis

Stele und Detail   Wolfgang Volk, aufgenommen im März 2016
Historische Darstellung   Lizensiert unter Public Domain, Quelle: https://commons.wikimedia.org/wiki/File:NHP_1879_Berlin_Sternwarte_Nordseite_Tafel_VI.jpg
 

1) Der Text ist mittlerweile in Teilen nur noch sehr schwer beziehungsweise gar nicht mehr zu erkennen. Deshalb können im wiedergegebenen Text Abweichungen enthalten sein. Einige grammatikatische Unzulänglichkeiten sind korrigiert.
2) In der Liste der Publikationen der Senatsverwaltung für Stadtentwicklung und Wohnen wird die Broschüre zur Einsicht angeboten.
3) Der Artikel ist auch online im Portal der LGB verfügbar, doch hat sich die Internetadresse in jüngster Zeit öfters geändert, so dass nun kein direkter Verweis mehr angegeben wird.