Mathematischer Ort des Monats April 2022
Tafel für Georg Joachim von Lauchen in der Lutherstadt Wittenberg
von Wolfgang Volk
 
Tafel fuer Georg Joachim von Lauchen
Tafel für Georg Joachim von Lauchen
 
Der mit der oben abgebildeten Tafel am Wohngebäude in der Fleischerstraße 4 Gewürdigte wurde am 16. Februar 1514 in Feldkirch als Georg Joachim Iserin, Sohn des Stadtmedicus Georg Iserin und der norditalienischen Adligen Thomasina de Porris, geboren. 14 Jahre später wurde sein Vater der Hexerei beschuldigt und hingerichtet [4]. In der Folge nahm er als Nachnamen den Mädchennamen seiner Mutter „de Porris“ beziehungsweise die eingedeutschte Version „von Lauchen“ an. Damit nicht genug, dem Zeitgeist folgend, wurde er später Rhaeticus (in verschiedenen Schreibweisen) nach der römischen Provinz Raetia genannt (ob aktiv oder passiv muss dahingestellt bleiben), nach der Region, in der sein Geburtsort liegt. (Feldkirch liegt im Rheintal südlich von Bregenz und gehört heute zum österreichischen Bundesland Vorarlberg.)
G. J. von Lauchen studierte nach dem Besuch der Lateinschule in seinem Geburtsort zunächst etwa drei Jahre in Zürich und danach an der Leucorea in Wittenberg, wo er später auf den Lehrstuhl für niedere Mathematik berufen wurde [3].
Medaille (Avers) fuer Georg Joachim von Lauchen
Avers der Medaille für Georg Joachim von Lauchen mit einer Ansicht von Feldkirch, seinem Geburtsort
Medaille (Revers) fuer Georg Joachim von Lauchen
Revers der Medaille für Georg Joachim von Lauchen mit Details zu seinem Leben
 
Im Jahr 1978 wurde eine Silbermedaille herausgegeben, die Georg Joachim von Lauchen würdigt. Die Vorderseite (Avers) der Medaille zeigt eine Ansicht von Feldkirch (hier mit der Initiale „V“ geschrieben) aus dem Jahr 1550 und drei verschiedenen Sonnenständen zu den beiden Sonnenwenden (symbolisiert durch die Tierkreiszeichen des Krebses ♋ und des Steinbocks ♑) sowie der Tag- und Nachtgleichen (Äquinoktien, symbolisiert durch die Tierkreiszeichen Widder ♈und Waage ♎). Die Rückseite der Medaille skizziert den Lebenslauf des Geehrten – im Wortlaut:
Humanist
Naturwissenschaft[l]er
Arzt und Mathematiker
Georg Joachim
Rhetikus
geb[oren] 1514 in Feldkirch
gest[orben] 1574 in Kaschau
1536 Lehrstuhl an der
Universität Wittenberg
1539-1541 bei Kopernikus
1540: Die Erde dreht
sich um die Sonne
Am Wohngebäude in der Fleischerstraße 4 wird auf einer weiteren Tafel Christian Schkuhr (1741-1811) als Universitätsmechaniker und Botaniker in gleicher Weise geehrt [2, S. 96]; auf der Tafel ist auch zu lesen, dass er den hiesigen botanischen Garten errichtete1).
Wohnhaus
Heutiges Wohnhaus in der Fleischerstraße 4
 
Schräg gegenüber diesem Wohnhaus befindet sich das Hauptpostamt2) der Lutherstadt Wittenberg, ein stattliches Gebäude, das mit einem fast monumentalen Ensemble, zu dem auch ein Medaillon mit einem Porträt und eine Gedenktafel gehören, den Physiker Wilhelm Eduard Weber würdigt (auf dem nachstehenden Bild unmittelbar rechts über dem Halteverbotsschild zu sehen). Wilhelm Weber wurde im Jahr 1804 in Wittenberg geboren und hatte ab 1831 eine Professur an der Universität in Göttingen inne. Er war gut mit Carl Friedrich Gauß befreundet; beide entwickelten zusammen den ersten elektromagnetischen Telegraphen.
Hauptpostamt
Hauptpostamt
 

Referenzen

[1]   Fritz Kümmel: Der ehemalige Botanische Garten der sächsischen Universität Wittenberg – vor 300 Jahren (1711) erschien der erste Pflanzen-Katalog, Schlechtendalia 24 (2012), S. 21–40
[2]   Elke Strauchenbruch: WER WAR WO in Wittenberg? Wissenswertes zu 124 Gedenktafeln, 2. überarbeitete und erweiterte Auflage, Drei Kastanien Verlag, Wittenberg, 2017, ISBN 978-3-933028-80-8
[3]   Wolfgang Volk: Tafeln für Giordano Bruno, Joachim von Lauchen, Kaspar Peuker und Johann Daniel Titius in der Lutherstadt Wittenberg
[4]   Wikipedia: Georg Joachim Rheticus
 

Bildnachweis

alle Bilder   Wolfgang Volk, Berlin, Juli 2021
 

1) Gemäß den Ausführungen in [1] (ein Verweis/Link ist auf der Homepage der Universität Wittenberg LEUCOREA zu Georg Rudolf Böhmer zu finden) dürfte diese Aussage nicht der ganzen Wahrheit entsprechen.
2) Seitdem die ehemalige Deutsche Bundespost im Rahmen der zweiten Postreform im Jahr 1994 in drei Aktiengesellschaften gegliedert und privatisiert wurde, ist auch der Begriff „Postamt“ nicht mehr zutreffend. Man spricht heute nur noch von Postfilialen und Ähnlichem.