Mathematischer Ort des Monats März 2024
Tafel für Johann Albert in der Lutherstadt Wittenberg
von Wolfgang Volk
 
Johannes Albert
Tafel für Johann Albert
 
Am Haus, mit der Adresse Bürgermeisterstraße 1 ist die oben abgbildete Tafel angebracht. Solcherart Tafeln findet man in Wittenberg an zahlreichen Gebäuden wie sie schlicht durch die Angabe des Namens, der Lebensdaten und der Funktion(en) auf Persönlichkeiten hinweisen, denen eine gewisse Bedeutung – um nicht zu sagen, Berühmtheit – zukommt.1) Im vorliegenden Fall wird der Rechenmeister Johann Albert (1488-1558) auf diese Weise gewürdigt.
Johann Albert wurde im Jahr 1488 in Zörbig geboren. Dieser Ort liegt etwa 10 km nordöstlich der Stadt Halle an der Saale. Über seine Herkunft und sein frühes Leben ist nichts bekannt. Erwähnung erfährt er als Stuhlschreiber2) bei einer Kastenrechnung3) der Jahre 1524/25 aus Wittenberg. Er lehrte 30 Jahre lang Arithmetik und Katechetik an der Mädchenschule – in [7] Junkfrauenschule genannt – und arbeitete 26 Jahre als Küster unter dem Reformator Johann Bugenhagen (1485-1558) an der Stadt- und Pfarrkirche St-Marien [5], [6].
Diese Informationen entstammen im Wesentlichen den Nachrichten der Wittenberger Universität „Scripta publica“, in deren drittem Band, der 1559 bei Georg Rhaw in Wittenberg gedruckt wurde, ein Nachruf mit einer Zusammenfassung der Leichenpredigt vom 12. Juni 1558 zu lesen ist.
Der mittelalterliche Beruf des „Rechenmeisters“ erhielt Anfang des 16. Jahrhunderts, das heißt mit dem Beginn der Neuzeit, ein erweitertes Aufgabenfeld, war doch mit dem Aufschwung des Handels der Bedarf an Rechenfertigkeiten deutlich gestiegen, während deren Vermittlung zuvor in den Schulen – wenn überhaupt – nur eine untergeordnete Rolle spielte. Dabei war sicher auch entscheidend, dass forciert vom vermehrten Abbau von Silber und anderen Metallen in dieser Zeit das Münzwesen eine zunehmende Bedeutung erfuhr. So richteten zahlreiche Rechenmeister eigene Schulen ein, so zum Beispiel der sprichwörtlich4) gewordene Rechenmeister Adam Ries(e) (1492/93-1559) in Annaberg im Erzgbirge. Auch Johann Neudörffer (der Ältere, 1497-1563) in Nürnberg sei hier beispielhaft genannt.
Zwar hat Johann Albert keine eigene Rechenschule betrieben, was er jedoch mit Adam Ries gemein hat ist, dass er Anleitungen zum damals üblichen Rechnen auf Rechenbrettern5) nebst Aufgabensammlungen verfasste und drucken ließ. So erschien 1534 sein Buch „Rechenbüchlein auff der linien / dem einfeltigen gemeinen man odder leien / und jungen anhebenden liebhabern der Arithmetice / zu gut“ [2] und 1541 mit ähnlichem Titel „Rechenbüchlein auff der Federn / gantz leicht / aus rechtem grund / jnn Gantzen vnd Gebrochen / Neben angehefftem / vnlangst / ausgelassnem Büchlein auff den Linien / dem einfeltigen gemeinen Man / vnd anhebenden der Arithmetica Liebhabern zu gut“ [3], die beide auch als Digitalisat vorliegen. Auffällig ist dabei, dass der Name des Autors mit „Johann Albrecht“ genannt ist. Ob es dem Zeitgeist entsprach, verschiedene Varianten des Nachnamens zu verwenden? So sind von seinem Zeitgenossen und Kollegen Adam Ries auch die Namensvarianten „Ris“, „Rise“, „Ryse“ und sogar „Reyeß“ bekannt.
 

Referenzen

[1]   Adam-Ries-Museum: Verzeichnis der Rechenmeister
[2]   Johann Albert6): Rechenbüchlein auff der linien / dem einfeltigen gemeinen man odder leien / und jungen anhebenden liebhabern der Arithmetice / zu gut, gedruckt durch Georg Rhaw zu Wittenberg, 1534
[3]   Johann Albert: New Rechenbüchlein auff der Federn / gantz leicht / aus rechtem grund / jnn Gantzen vnd Gebrochen / Neben angehefftem / vnlangst / ausgelassnem Büchlein auff den Linien / dem einfeltigen gemeinen Man / vnd anhebenden der Arithmetica Liebhabern zu gut, gedruckt durch Georg Rhaw zu Wittenberg, 1541
[4]   Rainer Gebhardt, Helmuth Albrecht (Hrsg.): Rechenmeister und Cossisten der frühen Neuzeit, Schriften des Adam-Ries-Bundes, Band 7: Beiträge zum wissenschaftlichen Kolloquium am 21.September 1996 in Annaberg-Buchholz, ISBN 3-930430-05-3
[5]   Ulrich Reich: Johann Albert (1488 – 1558), Rechenmeister zu Wittenberg in der Reformationszeit, in [4], S. 221-238
[6]   Ulrich Reich: Handschrift und gedruckts Buch – was ist Henne, was ist Ei?, VIII. Österreichisches Symposium zur Geschichte der Mathematik, Miesenbach/Niederösterreich, 21.-27. Mai 2006, S. 1-9
[7]   Elke Strauchenbruch: WER WAR WO in Wittenberg? Wissenswertes zu 124 Gedenktafeln, 2. überarbeitete und erweiterte Auflage, Drei Kastanien Verlag, Wittenberg, 2017, ISBN 978-3-933028-80-8
[8]   Hans Wußing: Adam Ries, 2. durchgesehene und erweiterte Auflage, B. G. Teubner Verlagsgesellschaft, Stuttgart, Leipzig und Verlag der Fachvereine, Zürich, 1992, ISBN 3-8154-2500-X sowie 3-7281-1923-7
 

Bildnachweis

Tafel   Wolfgang Volk, Berlin, Juli 2021
 

1) Eine vergleichbare Kultur findet man auch in den Universitätsstädten Göttingen und Jena vor.
2) spätmittelhochdeutscher Begriff, siehe diesen Eintrag im DWDS – Digitalen Wörterbuch der deutschen Sprache
3) jährliche Abrechnung über Einnahmen und Ausgaben eines Kastens, wobei ein Kasten ein (herrschaftliches, städtisches oder Reichs-)Amt zur Verwaltung der Kastengefälle und Kastengüter sowie anderer Einnahmen bezeichnet. Ein Kasten kann auch ein Kirchenvermögen bezeichnen. Siehe auch diesen Eintrag im Deutschen Rechtswörterbuch (DRW).
4) Bei der oralen Wiedergabe eines Rechenergebnisses ist es durchaus gebräuchlich, „Das macht nach Adam Riese …“ zu sagen.
5) Es waren nicht nur Rechenbretter mit den zum Rechnen eingravierten Linien und optionalen Marken in Gebrauch, sondern auch Rechentische, deren Tischplatte als Rechenbrett gestaltet ist, und Rechentücher, die sich leichter transportieren ließen.
6) Publiziert wurde das Buch unter dem Autorennamen Johann Albrecht.