Mathematischer Ort des Monats Dezember 2021
Trigonometrischer Punkt „Götzer Berg“ in Groß Kreutz (Havel)
von Wolfgang Volk
 
TP Goetzer Berg
Trigonometrischer Punkt I. Ordnung „Götzer Berg“
 
Der Götzer Berg verdankt seine Entstehung den geologischen Auswirkungen der Weichsel-Eiszeit als Stauchendmoräne vor etwa 20-tausend Jahren. Er ragt etwa 80m über die ihn umgebende Landschaft hinaus und ist damit von Weitem zu sehen, zumal die Gegend als Teil der norddeutschen Tiefebene nicht mit nennenswerten Erhebungen gesegnet ist. So ist es kein Wunder, dass auf dem Götzer Berg ein trigonometrischer Punkt (TP) I. Ordnung angelegt wurde.
Mit den trigonometrischen Punkten I. Ordnung schuf man ein grobmaschiges Dreiecksnetz über das erstmals zu vermessende Gebiet, wobei der Abstand der einzelnen Punkte etwa 30km – 50km betragen soll. (Es gibt aber auch durchaus längere Seiten in diesem Dreiecksnetz.) Dabei galt es mit möglichst wenigen präzisen Streckenmessungen (weil diese sehr aufwändig durchzuführen waren, theoretisch genügt eine einzelne) und ansonsten nur mit der Messung von Winkeln die restlichen Dreiecksseiten zu bestimmen und letztendlich die geografischen Koordinaten der trigonometrischen Punkte bezüglich eines Referenzellipsoids zu berechnen. Hierzu ist zu bemerken, dass diese Landesvermessungen in deutschen Landen überwiegend im 19. Jahrhundert durchgeführt wurden. Nachgeordnet wurden auch noch Dreiecksnetze mit trigonometrischen Punkten II. bis IV. (teilweise auch V.) Ordnung angelegt, mit dem Ziel, dass etwa in jedem Quadratkilometer ein trigonometrischer Punkt vorliegt, die in ihrer Gesamtheit dann die Grundlage für Vermessungen zum Aufbau des Liegenschaftskatasters dienten.
Die trigonometrischen Punkte werden jeweils durch eine Steinplatte mit einem eingemeißelten Markierungskreuz vermarkt, die in den Erdboden eingelassen wird. Über ihr wird ein Steinpfeiler ebenfalls in den Boden eingelassen, dessen Kopf, der in der Regel aus dem Boden herausragt, und an gleicher Lageposition ein eingemeißeltes Kreuz besitzt (Tagesmarke). Die Ausrichtung des Pfeilers erfolgt üblicherweise derart, dass auf der südlichen Seite die Buchstabenkombination „TP“ eingemeißelt ist und auf der nördlichen ein gleichseitiges Dreieck (siehe [1, S. 69]). Der aus dem Erdboden herausragende Kopf des trigonometrischen Punkts auf dem Götzer Berg lässt auf seiner Südseite die Buchstabenkombination „TP“ mehr oder weniger nur vermuten, während an der Nordseite deutlich das gleicheitige Dreieck erkennbar ist (man muss allerdings beim zweiten Bild der obigen Serie sehr genau hinschauen, da die Nordseite eines Objekts in der Regel im Schatten des Sonnenlichts liegt). Welche Bedeutung die neben dem Kreuz auf der Deckfläche des Pfeilers auf dem Götzer Berg eingravierten Zeichen besitzen ist nicht bekannt und für einen trigonometrischen Punkt auch eher unüblich.
Üblich hingegen war allerdings, dass auf den trigonometrischen Punkten I. Ordnung Türme aus Holz errichtet wurden, um die Messungen zur Bestimmung der Winkel bezüglich der im Dreiecksnetz benachbarten Punkte durchführen zu können. (Die Alternative wäre, Schneisen in den Bewuchs/Wald zu schlagen, um eine Sichtverbindung für die Winkelbeobachtungen herzustellen, was situationsbedingt durchaus auch gelegentlich realisiert wurde.) Diese Beobachtungstürme bestanden eigentlich aus zwei unabhängigen Turmkonstruktionen, wobei der eine nur als Plattform für den Theodoliten diente, so dass Erschütterungen, die zwangsläufig durch die Bewegungen des Beobachters entstehen, sich nicht auf das Beobachtungsgerät übertragen (vergleiche [2, S. 29] und [3]).
Tafel
Informationstafel zum Trigonometrischen Punkt „Götzer Berg“
 
In der Nähe des trigonometrischen Punkts befindet sich ein Gebäude, das mit Waldszenen ansprechend bemalt ist, in die auch eine Informationstafel integriert ist, auf der auch über die Geschichte des trigonometrischen Punkts auf dem Götzer Berg berichtet wird (siehe auch [2, S. 34-35]). Demzufolge befanden sich auf dem Götzer Berg über Jahrzehnte hölzerner Beobachtungstürme, die auch militärisch und als Feuerwache genutzt wurden. Die Tafel gibt allgemeine Hinweise zur Landesvermessung und weist die Lage des TP Götzer Berg an der Nahtstelle der Teilnetze Verbindungskette Berlin – Schubin und dem Märkisch-Mecklenburgischen Hauptdreiecksnetz1) aus. Bereits im Zuge der Bearbeitung der Elbkette2) hatten preußische Geodäten auf dem Götzer Berg einen TP I. Ordnung bestimmt. Auf der Tafel wird auch genau berichtet, wie oft die Holztürme erneuert werden mussten. Der letzte Turm wurde 1979 errichtet aber bereits wenige Jahre später wieder zurückgebaut. In den Jahren 2011/2012 wurde auf dem Götzer Berg ein Aussichtsturm errichtet, der entfernt an seine hölzernen Vorgänger errinnert, die stählernen Stützen sind teilweise mit Holz verkleidet, um einen Bezug zu den historischen Vorbildern herzustellen. Dieser Aussichtsturm ist allerdings versetzt zum Steinpfeiler des trigonometrischen Punkt errichtet worden (wozu es auch keine Notwendigkeit mehr gibt), um dessen Beschädigung durch die Baumaßnahmen zu vermeiden.
Aussichtsturm
Aussichtsturm auf dem Götzer Berg
 
Wie der TP Müggelberg war auch der TP Götzer Berg Ursprung eines der 40 im Jahr 1879 festgelegten Soldner-Koordinatensysteme Preußens. Die nachstehend wiedergegebene Übersichtskarte weist den [TP] Götzer Berg namentlich aus.
Soldner-Koordinatensysteme
Übersicht der Soldner-Koordinatensysteme um das Jahr 1900
 

Danksagung

Dank möchte ich Michael E. Klews3) aussprechenen, der für den 25. April 2019 eine gemeinsame Wanderung plante, die uns beide unter anderem auf den Götzer Berg führte und in derem Zusammenhang die Fotos zu diesem Beitrag entstanden.
 

Referenzen

[1]   Karl Fricke, Joachim Richter und Kurt Schneider: Der Vermessungstechniker, 2. Aufl., Gebr. Jänecke Verlag, Hannover, 1966
[2]   Landesvermessung und Geobasisinformation Brandenburg (LGB) und DVW Berlin-Brandenburg e. V. (Hrsg.): Auf den Spuren der Landesvermessung in Berlin und Brandenburg, Broschüre März 2014, ISBN 978-3-7490-4187-9
[3]   Der Senator für Bau- und Wohnungswesen: Der trigonometrische Punkt I. Ordnung Rauenberg, Faltblatt
[4]   Senatsverwaltung für Bau- und Wohnungswesen: Der trigonometrische Punkt I. Ordnung Müggelberg, Faltblatt, Berlin, 1994
 

Bildnachweis

alle Fotos   Wolfgang Volk, Berlin, April 2019
Soldner-Koordinatensysteme   Lizenziert unter Public domain, Quelle: https://commons.wikimedia.org/wiki/File:Soldner-Koordinatensysteme_um_1900.jpg
 

1) So ist es auf der Informationstafel ausgewiesen, die sich auf eine Neuvermessung in den Jahren 1899 – 1939 bezieht. Das deutsche Hauptdreiecksnetz setzt sich aus Dreiecksketten und sogenannten Füllnetzen zusammen, die jeweils einzeln für sich ausgeglichen wurden. Diese Ausgleichung dient der Korrektur von Beobachtungs-/Messungenauigkeiten, die zwangsläufig auftreten. Dreiecksketten können besonders elegant ausgeglichen werden (Ausgleichung nach bedingten Beobachtungen).
2) In den Quellen [3] und [4] reicht die Dreieckskette, die „Elbkette“ genannt wird, ostwärts bis nach Potsdam und schließt somit auch den TP Götzer Berg mit ein. Daran schließt sich die Küstenvermessung (1837–1846) an, in die auch der TP Rauenberg sowie der TP Müggelberg eingebunden sind.
3) seit 2010 Schatzmeister der BMG und Verfasser des Beitrags zum mathematischen Ort des Monats Juli 2020.