Nachruf
Bernd Wegner (1942 - 2024)
von Wolfgang Kühnel und Olaf Ninnemann
 
Als Bernd Wegner am 11. Februar 1942 das Licht der Welt in der Reichshauptstadt Berlin erblickte, sah diese Welt nicht verheißungsvoll aus. Die Schlacht von Stalingrad markierte den „psychologischen Wendepunkt“ des Krieges, der dann immer näher kam. Die Wohnung der Familie wurde irgendwann ausgebombt, und nach dem Zusammenbruch 1945 hauste man provisorisch in einer Art von Übergangsheim, eine Notunterkunft, aber offenbar jahrelang. Zudem war sein Vater ein einfacher Arbeiter, und das bedeutete damals keine Verheißung für eine akademische Karriere.
Aber sein Talent wurde erkannt, er kam auf das Humboldt-Gymnasium in Berlin-Tegel, aber dort galt er – wie er berichtete – allein schon wegen dieses „nicht normalen“ Wohnsitzes als nicht vollwertig oder als „Underdog“ (im Sinne von sozial benachteiligt). Später wurde ähnliches in Liedern über die „Schmuddelkinder“ besungen. Dennoch zeigte sich sein Talent in Mathematik und auch in Latein, und er konnte den Anfeindungen trotzen und sogar – nach seinen Erzählungen – den Mathematiklehrer (der ihm auch nicht freundlich gesonnen war) aufs Kreuz legen, indem er ihm Fehler nachwies. Aber allein die Art, wie er noch fast 70 Jahre später von dieser Zeit erzählte, lässt auf große Konflikte schließen.
Nach dem Abitur begann er 1961 das Studium der Mathematik an der Technischen Universität (TU) Berlin. Das war auch kein verheißungsvolles Datum: Die Berliner Mauer wurde gebaut. Aber auch dort fielen seine Fähigkeiten auf, und er wurde nach dem Diplom 1966 Assistent am Lehrstuhl für Geometrie von Prof. Kurt Leichtweiß. Schon 1967 wurde er erstmalig zur Geometrie-Tagung nach Oberwolfach eingeladen. Das war gewiss eine gute Zeit für ihn.
Als Student der Anfangssemester hat der erstgenannte Autor 1970 Bernd Wegner kennengelernt; das war im Jahr seiner Promotion bei Leichtweiß mit einer Dissertation über transnormale Untermannigfaltigkeiten. (Das sind solche, bei denen eine Gerade, wenn sie irgendwo senkrecht auftrifft, dann in allen anderen Punkten der Untermannigfaltigkeit ebenfalls senkrecht auftrifft, wenn es solche gibt.) Im Anschluss wurden diese und weitere Ergebnisse in mehreren Zeitschriftenartikeln veröffentlicht, in den drei Jahren 1971-73 erschienen 11 solcher Artikel. Daher wurde der junge Assistent nach kurzer Zeit erst zum Assistenzprofessor (eine neue Personalkategorie an der TU Berlin) ernannt und dann zum Professor der einfachsten Stufe berufen. Seine Habilitation holte er 1974 nach, im Gegensatz zu manchen Kollegen, die als sogenannte „April-Professoren“ nach einem Gesetz zu Professoren übergeleitet wurden, das an einem 1. April in Kraft trat.
Es war eine Zeit des Umbruchs und großer Fluktuation bei den Professoren, aber Wegner strebte damals keinen Lehrstuhl in Westdeutschland an, er wollte in Berlin bleiben. Nachdem Leichtweiß 1970 einen Ruf nach Stuttgart angenommen hatte, übernahm Rolf Schneider den Lehrstuhl für Geometrie für wenige Jahre (1970-74). Trotz seiner Qualitäten erwies es sich als gut, dass in dieser und erst recht in der folgenden Zeit der Vakanz Bernd Wegner und Udo Simon Differentialgeometrie und der neue Ass.-Prof. Lutz Führer Topologie lehrten, denn es waren auch viele andere Lehrveranstaltungen abzudecken und Lücken zu stopfen.
Herauszuheben ist der Band „Beweismethoden der Differentialgeometrie im Großen“ (Springer Lectures Notes in Mathematics Band 335, erschienen 1973) mit gleich sieben Autoren, darunter Bernd Wegner, Udo Simon und der zwischenzeitlich nach Darmstadt berufene Wolfgang Wendland. Das galt damals als eine Art von Kompendium von Beweismethoden im Hinblick auf Kongruenz und Starrheit von Flächen. Alle sieben Autoren waren Teilnehmer der Geometrie-Tagung in Oberwolfach im November 1970. Offen blieb damals – trotz aller Bemühungen – ein gewiss heimliches Ziel, nämlich die Frage nach kompakten Flächen konstanter mittlerer Krümmung zu klären, die keine runden Sphären sind. Dies wurde erst mehr als 10 Jahre später durch den nach Henry C. Wente benannten Wente-Torus entschieden, eine kleine Sensation.
Die großen, spektakulären Resultate blieben Bernd Wegner versagt, aber er hat zahlreiche Beiträge (das Zentralblatt verzeichnet etwa 70) zu klassischen Themen für Kurven und Flächen geleistet, alles originelle Ergebnisse. Und er wusste auch Ergebnisse anderer zu beurteilen, insbesondere wenn diese nicht stimmten. (Denn auch das gibt es in der mathematischen Literatur.) Ein Lehrbuch zur Mathematik und Theoretische Physik für Physiker und Mathematiker verfasste er zusammen mit dem Physiker Karl-Eberhard Hellwig.
Durch eine Kette von Zufällen wurde der erstgenannte Autor zu seinem Schüler, obwohl er zunächst gar nicht an die Geometrie als Studienschwerpunkt dachte. Im Kreise einiger Assistenten riet man dem künftigen Diplomanden Spezialisierungen ab (manche Gebiete als zu esoterisch, andere als zu sehr abgegrast, manche Professoren als nicht empfehlenswert), aber der junge Professor Wegner wurde von allen positiv bewertet, er sei nicht nur ein guter Differentialgeometer, sondern auch ein guter Topologe. Überhaupt haben junge Dozenten wohl automatisch einen Bonus bei den Studenten, subjektiv wird die Distanz zu ihnen als kleiner empfunden. Und so kam es, dass der Diplomand, der sich viel für Topologie interessierte (aber einen hauptamtlicher Topologen gab es an der TU nicht) ein Thema zwischen Geometrie und Topologie bekam, nämlich „tight and taut immersions“, eine Anwendung der Morse-Theorie auf geometrische Probleme.
Zunächst galt es, sich einzuarbeiten und einen Stapel von Artikeln zu lesen (die meisten von Nicolaas H. Kuiper), aber rückblickend entwickelte es sich zu einer Erfolgsgeschichte, und so wurde aus dem Diplomanden bald der erste Doktorand von Bernd Wegner und auch sein Assistent. Allein schon durch die Wahl dieses Themas mit diversen Entwicklungsmöglichkeiten hat der erstgenannte Autor ihm viel zu verdanken. Eine späte Frucht davon ist der Springer Lecture Notes Band 1612, erschienen 1995.
Eine kuriose Anekdote aus dieser Zeit: Als beide einen etwas schwachen Kandidaten zu prüfen hatten (der Assistent als Beisitzer), da stellte sich heraus, dass der Kandidat vor Aufregung eine Überdosis an Beruhigungsmitteln zu sich genommen hatte und während der Prüfung am Tisch einschlief. Nach verzweifelten Blicken zwischen den beiden, die noch wach waren, entschied Wegner auf eine Unterbrechung der Prüfung (ohne Note), die dann einige Tage später fortgesetzt wurde. Andere Prüfer hätten vielleicht weniger menschlich reagiert.
Gegenüber Studenten und insbesondere seinen Schülern im engeren Sinne war Wegner immer hilfsbereit, der Umgang war unverkrampft, was auch schon über die Zeit von Leichtweiß gesagt wurde: Es war ein Lehrstuhl mit freundlichem Umgang. Das haben alle bestätigt, und es bezieht sich auch auf die anderen, die hier nicht genannt sind. Wegner kümmerte sich besonders um Lehramtsstudenten und richtete mit einigem Erfolg eine Art von organisierter Vorbereitung auf das Staatsexamen ein. Seine Kollegen vernachlässigten in seinen Augen diesen Bereich. In sportlicher Hinsicht war Bernd Wegner zeitlebens aktiv, in der Schule beim Rudern, später beim Surfen und Bergsteigen. In den 1970er Jahren beteiligte er sich regelmäßig an einer ansonsten studentischen Volleyballgruppe, die jede Woche trainierte.
Durch seine Tätigkeit beim Zentralblatt für Mathematik (siehe auch unten) hatte er vergleichsweise viele Kontakte zu Kollegen in der ehemaligen DDR und im Ostblock. Als dann 1990 die Wende kam, war einer seiner Verdienste die Übernahme der Herausgeberschaft bei der Zeitschrift Beiträge zur Algebra und Geometrie (BZAG), die seit 1971 vom VEB Deutscher Verlag der Wissenschaften publiziert wurde und deren Überleben nun fraglich wurde. Normalerweise wäre sie „abgewickelt“ worden, wie so vieles in dieser Zeit. Otto Krötenheerdt (Universität Halle) war damals der Herausgeber, und durch persönliche Kontakte gelang es Wegner schließlich, die Zeitschrift in die neue Zeit hinüberzuretten, ab 1993 im Heldermann Verlag, heute im Springer-Verlag. Bis 2007 war er einer der „Managing Editors“ und wurde dann von Horst Martini abgelöst.
Obwohl er insgesamt erfolgreich arbeitete und auch zahlreiche Auslandskontakte mit zahlreichen Ko-Autoren hatte sowie auch etliche Doktoranden an sich zog (die Liste seiner Doktoranden bei der Mathematics Genealogy ist allerdings unvollständig), fühlte er sich von seinen direkten Kollegen am „Schwerpunkt Geometrie“ der TU Berlin nicht so recht anerkannt, schied Ende der 1980er Jahre auf eigenen Wunsch dort aus und wirkte weiter als Individualist, der er in seinem Inneren wohl schon vorher war. Das lag gewiss auch an seiner eigenen, nicht ganz unproblematischen Persönlichkeit, die keine Kritik vertrug. Er wollte alles selbst entscheiden. Sich in einen Sonderforschungsbereich unter Leitung eines Kollegen einzufügen, das war seine Sache nicht. Umgekehrt hatten die Kollegen gelegentlich den Eindruck, er sei immer nur beim Zentralblatt, man sehe ihn kaum.
Zudem verblieb er in der untersten Besoldungsgruppe C2. Aber nach der Emeritierung von Krötenheerdt 1994 war er wohl der favorisierte Kandidat für seine Nachfolge, eine C4-Professur an der Universität Halle. Dort hätte die Redaktion „seiner“ Zeitschrift BZAG eine Art von Zentrum haben können (sie war dort auch gegründet worden). Unter irregulären Umständen (Intrigen hinter den Kulissen, Beschwerden über Gutachten) zog er seine Bewerbung zurück. Ob der Ruf an ihn erteilt wurde, scheint heute niemand mehr zu wissen. Später gab es eine Neuausschreibung.
Man kann den Mathematiker und auch den Menschen Wegner nicht ohne seine Nebentätigkeit beim Zentralblatt würdigen, die zeitweise fast zu dessen Haupttätigkeit zu werden schien.
Bernd Wegner wurde zunächst Fachredakteur für Topologie und Globale Analysis am Zentralblatt für Mathematik (Zbl). Niemand konnte ahnen, dass er in den folgenden fast 40 Jahren aus dem Zbl einen europäischen Informationsdienst von allererster Güte formen würde. Das Zbl fristete Anfang der 1970er Jahre ein Schattendasein. Es wurde nach Ende des zweiten Weltkriegs als einzigartige gemeinsame Unternehmung von Ost und West wiederbelebt und von der Deutschen Akademie der Wissenschaften (ab 1971 Akademie der Wissenschaften der DDR, im Folgenden AdW) und der Heidelberger Akademie der Wissenschaften (HAW) sowie dem Springer Verlag herausgegeben. Die Arbeit des Zbl war auf eine Ost-Berliner Redaktion, geleitet von Walter Romberg, und eine West-Berliner Redaktion aufgeteilt.
Im Jahr 1974 erfolgte seine Ernennung zum Chefredakteur seitens des Springer Verlags und der Heidelberger Akademie der Wissenschaften (HAW) als Nachfolger von Ulrich Güntzer. Es gab einen täglichen Botendienst zwischen den Redaktionen sowie regelmäßige Treffen der Chefredakteure in Adlershof. Wegner durfte mit seinem Mercedes – die Berliner Mauer passierend – dorthin fahren. So war er ständig am Hin- und Herpendeln zwischen der TU und der Redaktion, zum Glück ein nicht allzu weiter Weg.
Aber bereits in den Jahren 1976-1979 wartete seine erste große Bewährungsprobe. Die DDR-Seite kündigte ihre Mitarbeit beim Zbl auf. Zur Weiterführung des Zbl musste die Übernahme der Ost-Berliner Aktivitäten durch die Redaktion in West-Berlin erreicht werden. Zunächst musste die Überlassung aller Zbl-relevanten Unterlagen der AdW geregelt werden, in Zeiten des kalten Krieges keine einfache Aufgabe. Dann stand die Beantragung und Bewilligung von zusätzlichen Personalmitteln beim Bundesministerium für Forschung und Technologie (BMFT) an. Parallel gab es Verhandlungen zur Eingliederung der Redaktion als Abteilung Berlin Mathematik in das vom BMFT gegründete Fachinformationszentrum (FIZ) für Mathematik, Physik, Astronomie mit Zentrum in Karlsruhe (heute Leibniz-Institut für Informationsinfrastruktur).
Dank seines taktisch geschickten und zielgerichteten Vorgehens konnte er in unzähligen Verhandlungen alle drei Vorgänge überaus erfolgreich für die West-Berliner Redaktion des Zbl gestalten und damit die Basis für eine rasante Fortentwicklung des Zbl schaffen. Zum großen Teil fußte diese auf der schnellen Umsetzung neuer EDV-Entwicklungen sowohl für die internen Arbeitsabläufe als auch beim Angebot des Dienstes.
Die Übernahme der gesamten Zentralblattaktivitäten stellte eine riesige Herausforderung dar, die vor allem personell durch seine guten Kontakte zu Mathematikern der Berliner Universitäten gelöst werden konnte (unter anderem gewann er die Mitarbeit von Kurt Kutzler, Udo Simon, Elmar Vogt, Eberhard Knobloch als nebenamtliche Fachredakteure, um nur einige zu nennen). Dies war auch der Grund, weshalb er vehement für den Verbleib der Abteilung/Redaktion in Berlin eintrat. Dennoch konnte er erfolgreich die Infrastruktur des FIZ Karlsruhe (Hostfunktion) nutzen. Ebenfalls zu nennen ist die politische Unterstützung der Deutschen Mathematiker-Vereinigung (DMV) im Benutzerrat des FIZ, hier vor allem durch den Vorsitzenden des Benutzerrats und Mitglied des Aufsichtsrats Klaus Habetha (Aachen) und durch Klaus Bierstedt (Paderborn).
Zudem pflegte er einen engen wichtigen Kontakt zum Springer Verlag (Dietrich Götze, Joachim Heinze und andere). Dies war von großer Bedeutung, da der Springer Verlag nicht nur Gründer des Zbl, sondern auch bis Anfang der 1990er Jahre Herr des Unternehmens Zentralblatt war. Mit dem Aufbau der Datenbank des Zbl sowie weiterer elektronischer Dienste verlagerten sich die Aktivitäten verstärkt auf die Zbl-Redaktion und damit auf das FIZ Karlsruhe. Mitte der 90er Jahre konnte dann erreicht werden, dass das FIZ Karlsruhe die Nachfolge des Verlags antrat und der Springer Verlag sich auf Druck und Vertrieb beschränkte.
Die Entwicklung elektronischer Informationsdienste in den 1980er und 1990er Jahren wurde vom Zbl frühzeitig erkannt und in Angriff genommen. Wegner führte das Zbl äußerst konsequent zu einem modernen Referatedienst auf Augenhöhe mit den Mathematical Reviews (MR) der American Mathematical Society (AMS). Bereits 1983 auf dem Internationalen Mathematikerkongress (ICM) in Warschau konnte das Zbl mittels des von Karlsruhe eingesetzten DIRS-Retrievalsystems eine erste „Online-Version“ seiner Datenbank vorführen. In den Jahren 1983-1985 gab es Verhandlungen mit der AMS auf der einen und HAW, FIZ, Springer Verlag auf der anderen Seite über einen „Merger“ von MR und Zbl. Wegner hatte dazu einen entsprechenden Vorschlag ausgearbeitet, der die volle Unterstützung des Chefredakteurs der MR (John Selfridge) hatte. Die Finanzmanager der AMS befürchteten aber finanzielle Nachteile für ihre Seite, so dass die Verhandlungen für gescheitert erklärt wurden. Auf anderen Gebieten, etwa der Weiterentwicklung der Klassifikationsschemas Mathematics Subject Classification (MSC), wurde aber eine gleichberechtigte Zusammenarbeit vereinbart.
Wegner hatte ein hervorragendes Gespür für die wissenschaftspolitischen Entwicklungen, die sich gerade Mitte der 1980er Jahre in Europa auftaten. Es gelang ihm in zahlreichen Sitzungen mit prominenten Vertretern der sich in Gründung befindlichen European Mathematical Society (EMS) (Jean-Pierre Bourguignon, Sir Michael Atiyah, Michiel Hazewinkel und anderen), deren Unterstützung zu bekommen und mit der Einbeziehung der EMS als Mitherausgeber des Zbl ein deutliches Zeichen der europäischen Kooperation zu setzen. Später im Rahmen von mehreren EU-Projekten (EUROMATH, LIMES, EULER) erfolgte eine besonders enge Zusammenarbeit mit der französischen Gruppe MathDocCell in Grenoble und anderen europäischen Partnern zur ständigen Verbesserung des elektronischen Angebotes des Zbl.
Als Höhepunkt seiner geplanten Europäisierung des Zbl steht ab dem Jahr 2000 die Gründung mehrerer nationaler Redaktionsgruppen aus Kiew, Moskau, Prag, Belgrad, Bratislava, Debrecen, Sofia, Bukarest, Lecce und Athen. Später konnte er auch noch die Kooperation mit der Academia Sinica in Beijing erfolgreich abschließen.
Parallel dazu war er unermüdlich auf der Suche nach Unterstützung sowohl für die Erschließung wichtiger historischer Datenbestände (Electronic Research Archive for Mathematics [ERAM], weltweit eines der ersten Digitalisierungsprojekte zum Aufbau eines Volltextarchivs forschungsrelevanter mathematischer Texte, anhand des Jahrbuchs über die Fortschritte der Mathematik [Verlag de Gruyter] zusammen mit der Staats- und Universitätsbibliothek Göttingen [Elmar Mittler, Hans Jürgen Becker] und der Deutschen Forschungsgemeinschaft), Nacherfassung der retrospektiven bibliographischen Daten des Zbl (durch Springer Verlag und FIZ), Umsetzung von Referaten auf das TEX-System (EMS) wie auch neuer Angebote im Elektronischen Publizieren (EMIS), Portal für die EMS, Aktivitäten für eine globale digitale Bibliothek der Mathematik etc.
Aus seinen zahlreichen Publikationen über seine Aktivitäten aus dem Bereich „Electronic publishing and information“ kann man sein vielfältiges Interesse nur bewundernd zur Kenntnis nehmen. Einer der Höhepunkte war sicher die Planung und erfolgreiche Durchführung der Satelliten-Konferenz über „Electronic information and communication in mathematics“ (29.-31. August 2002) im Nachgang zum ICM 2002 in Beijing. In den Jahren 1990 bis 2005 (dem Sterbejahr seiner Frau Heidrun) war Wegner als Botschafter des Zbl ständig weltweit unterwegs (Mittel- und Südamerika gehörten genauso dazu wie europäische Länder, Indien und China).
Nicht unerwähnt bleiben sollte auch sein Bemühen nach der Wende, einerseits die ostdeutschen Referenten des Zbl wiederzugewinnen (sie durften nach dem Ausscheiden der AdW nicht mehr fürs Zbl referieren), andererseits ehemalige Mitarbeiter der Akademie und des Weierstrass Instituts (WIAS) sofern erforderlich zu integrieren (Martin Kühnrich, Walter Ett, Rainer Götz, Roswitha Jahnke, Hans-Joachim Pohl). Zusätzlich gelang es ihm, neue bzw. ehemalige namhafte Fachredakteure für das Zbl zu gewinnen (Wolfdietrich Müller, Gottfried Bruckner, Horst Sandmann, Klaus Schneider, Jürgen Leiterer, Georg Hebermehl, Jürgen Guddat, Dieter Nowack, Hubert Gollek, …).
Dies alles führte dazu, dass das Zbl seine hohe Qualität unter Beweis stellen konnte und weiter gefördert wurde, während andere Flaggschiffe der deutschen Referatenorgane wie die Physikalischen Berichte und die Astronomy and Astrophysics Abstracts sang- und klanglos eingestellt wurden. Die Datenbank zbMATH ist heute sogar frei im Internet verfügbar (open access service). Im Jahr 2011 wurde er als Chefredakteur des Zbl in Karlsruhe verabschiedet, nachdem er als Professor schon 2007 emeritiert worden war. Im Jahre 2016 ehrte ihn die Ionian University of Korfu mit der Ehrendoktorwürde sowohl für sein europäisches Engagement als auch für die Arbeiten seine Arbeiten auf dem Gebiet der Differentialgeometrie.
Dass er am Ende mit seinen Nachfolgern brach, liegt sicher in seinem persönlichen Bereich, da er sich wie kein anderer mit den Aktivitäten des Zbl identifizierte. Und sicher auch daran, dass sich die Ziele änderten, man vergleiche dazu seinen Aufsatz „Completeness of reference databases, old-fashioned or not?“ im EMS Newsletter 80 (2011), S. 50-52 (vergleiche Zbl 1223.01045). Aber ständig neue Erfahrungen suchend wie Bernd Wegner war, beschäftigte er sich danach gemeinsam mit seinem alten Weggefährten Sigram Schindler mit der mathematischen Modellierung von Patenten, eine diesbezügliche Veröffentlichung ist in Zbl 1304.68201 angezeigt.
In den allerletzten Jahren wurde es stiller um ihn. Eine neue Aufgabe fand er in der schulischen Betreuung seiner Stieftochter. Falsch gestellte mathematische Aufgaben (zum Beispiel eine Divisionsaufgabe vom Typ a:b:c) reklamierte er bei den Lehrern und unterrichtete sogar interessierte Schüler auf freiwilliger Basis. Einige fachfremd unterrichtende Lehrer gerieten in Erklärungsnöte und mussten vor seiner Fachkompetenz kapitulieren. Das hörte erst auf, als er die vielen Treppen in der Schule nicht mehr bewältigen konnte. Man preist überall die Inklusion, aber gehbehinderte Schüler oder Lehrer sind nicht vorgesehen. Er musste dann beim Gehen einen Stock benutzen, fürchtete längere Treppen (besonders die ohne Geländer) und starb am 18. Januar 2024 an den Folgen eines Sturzes auf einer dieser Treppen, kurz vor seinem 82. Geburtstag.
Bernd Wegner hinterlässt seine Frau und eine Stieftochter, Sohn und Tochter und vier Enkelkinder sowie – typisch für ihn – einen treuen Wegbegleiter namens Einstein, sein Papagei. In E-Mails versicherte er der anderen Seite gelegentlich nicht nur seine Unterstützung, sondern auch die Einsteins.
Der zweitgenannte Autor, einer seiner ersten Diplomanden 1973 und seit 1978 Leiter der Abteilung Berlin und Managing Editor des Zbl bis Ende 2008, bedankt sich auf diesem Wege für Bernds langjährige unermüdliche Unterstützung, Motivation und Antrieb.
 
Die Veröffentlichungen von Bernd Wegner, soweit sie im Zentralblatt aufgelistet sind, können im Portal zbMATH open recherchiert werden.