von Ehrhard Behrends

Ich habe Herrn Rudolf Gorenflo 1973 kennen gelernt, als wir beide an die Freie Universität (FU) berufen wurden. Das war auch das erste Jahr für die Kollegen Martin Aigner und Gerhard Berendt, und dieses Zusammentreffen bildete mehrfach den Anlass zu einem kleinen Fest am Fachbereich Mathematik und Informatik: „40 Jahre Mathematik an der FU“ im Jahr 1983, „80 Jahre Mathematik an der FU“ im Jahr 1993, „120 Jahre Mathematik an der FU“ im Jahr 2003 und „160 Jahre Mathematik an der FU“ im Jahr 2013.

Herr Gorenflo war ein von allen hochgeschätzter Kollege. Sein didaktisches Talent und seine wissenschaftliche Reputation waren allgemein anerkannt – und alle wussten, dass er einen bemerkenswerten Teil seiner Energie in die Förderung von jungen Mathematikern im nahen und fernen Osten investierte.

Als das Dekanat die Bitte an mich herantrug, eine besondere Auszeichnung im Namen des Fachbereichs in Empfang zu nehmen, nahm ich dieses ehrenvolle Angebot dankbar an: Herr Gorenflo sollte posthum auf der Tagung zu Fraktionellen Differentialgleichungen im Juli 2018 in Amman (Jordanien) durch eine Ehrenplakette gewürdigt werden.

Auf dieser Tagung gab es eine besondere Sektion, in der die Verdienste von Herrn Gorenflo um das Gebiet Fraktionelle Differentialgleichungen von mehreren Fachkollegen erläutert wurden, und am Ende konnte ich die Ehrenplakette in Empfang nehmen.

Auf Beschluss des Dekanats am 16. August 2018 wurde sie am darauffolgenden Tag im Flur des π-Gebäudes angebracht. Sie hängt nun gegenüber vom Eingang des Sitzungsraums 108/109 im ersten Obergeschoss, in dem Herr Gorenflo oft an Sitzungen teilgenommen hat.

Der Text der Tafel lässt sich wie folgt ins Deutsche übersetzen¹⁾:

Der Hauptsatz der Differential- und Integralrechnung besagt bekanntlich: Definiert man, bei gegebener stetiger reellwertiger Funktion f über dem Intervall I und x₀ ∈ I, eine Funktion F punktweise durch

(für x ∈ I), so gilt F' = f.

Allgemeiner lässt sich zeigen: Ist

Dann gilt F⁽ⁿ⁾ = f.

Wenn man den Exponenten n–1 durch eine beliebige reelle Zahl a–1 und (n–1)! durch den Wert der Gammafunktion Γ(a) ersetzt, so kann man f als a-te Ableitung von F interpretieren.

Dieser Ansatz wurde schon von Leonhard Euler und Joseph Liouville betrachtet. Heute gibt es verschiedene konkurrierende Definitionen von gebrochenen Ableitungen, intensiv studiert werden sie erst seit wenigen Jahrzehnten. Man nutzt sie verschiedentlich zur Modellierung bei biologischen Fragestellungen, in den Ingenieurwissenschaften, bei Diffusionsprozessen, … .

¹⁾ Die mit arabischen Schriftzeichen wiedergegebene Textpassage nennt den Titel der Tagung, wobei da nicht von einer internationalen, sondern von einer wissenschaftlichen Konferenz die Rede ist.