W. König (Hrsg.)

Dass die Mathematik in der Gesellschaft an vielen Stellen wichtige Rollen spielt, wird niemand ernsthaft bestreiten. Man wird auch sicher noch ein paar Gebiete nennen können, in denen viel Mathematik vorkommt, wie etwa Versicherungen, Finanzwelt, computerunterstütztes Design oder Verschlüsselung. Aber wenn man genauer sagen sollte, was denn die Mathematik nun genau zu leisten imstande ist und wie man sie einsetzt und wo sie noch vorkommt, dann werden die meisten Durchschnittsmenschen passen müssen, auch wenn sie viel wissenschaftliches Interesse haben. Es gibt eben leider nicht viele allgemeinverständliche Quellen, in denen Nichtexperten sich über solche Dinge informieren können. Das liegt an vielen Dingen, aber auch und vor allem daran, dass es für alle Spezialisten schwierig ist, sich so auszudrücken, dass man den besonderen Wert ihrer Disziplin auch als Laie gut verstehen kann. Die Mathematik ist unter allen Wissenschaften gar verschrien als diejenige, in der das am seltensten gelingt, denn sie gilt Vielen leider immer noch als trocken, unanschaulich und generell schwer verständlich. Beim Auftreten des Wortes „Mathematik“ fällt vielen Leuten leider immer noch nicht viel mehr ein als „Zahlen“ und „Rechnen“. Wie auch der bekannte Berliner Mathematiker Günter M. Ziegler im Frühjahr 2016 im Berliner „Tagesspiegel“ räsonierte, vermittelt der Mathematikunterricht an deutschen Schulen hauptsächlich Rechentechniken und lässt die Rolle der Mathematik in der Kultur, Gesellschaft und Forschung weithin unbeachtet.

Nun ist ein neues Buch erschienen, das diesem bedauerlichen Zustand und dem Imageproblem der Mathematik abhelfen will und gute Chancen hat, diese beiden Ziele wenigstens ansatzweise zu erreichen. „Mathematics and Society“ ist eine Sammlung von 15 Artikeln, die jeweils einen anderen Aspekt der Rolle der Mathematik in der Gesellschaft beleuchten, vom Schreiben guter mathematischer Texte für Laien über mathematische Voraussagen zu politischen Wahlen bis zum Auftreten geometrischer Strukturen in der Architektur und in der Natur. Auch Themen wie der große Erfolg mathematischer „Hands-On-Museen“ in Deutschland seit dem öffentlichkeitswirksamen „Jahr der Mathematik 2008“ und überlegungen zu der Frage, ab wann ein Beweis ein Beweis ist, werden grundsätzlich diskutiert. Wohlgemerkt geht es dabei immer nur um Mathematik, für die eine spezialisierte Forschung notwendig ist und die nicht einfach nur aus Anwendungen längst bekannten Wissens besteht. Eine beeindruckende Vielfalt von Mathematik und Gebieten, in denen sie wichtige Beiträge liefert, wird vor dem Leser ausgebreitet.

Allen 15 Artikeln ist gemein, dass jeweils ein(e) weltweit anerkannte(r) Experte/in sein bzw. ihr Lieblingsgebiet auf unterhaltsame und allgemeinverständliche Weise darstellt, so dass jeder wissenschaftlich interessierte Laie eine reelle Chance hat, zu verstehen, was die Rolle der Mathematik nun wirklich ist, auf welche Weise sie hier der Gesellschaft nützt und warum auch in Zukunft eine hochqualifizierte Forschung notwendig ist.

Ob die ehrgeizige Absicht erreicht wird, dem Laien das Wesen und die Meriten der Mathematik wirklich nahe zu bringen und verständlich zu machen, wird die Zeit zeigen. Diese Sammlung ist einer der wenigen ernsthaften und hochklassigen Versuche in dieser Richtung. Es haben sich 15 eminente Mathematiker(innen) redliche Mühe gegeben, für ihr Fach zu begeistern, und es ist zu erwarten, dass jede(r) Leser(in) an vielen Stellen im Buch etwas mitnehmen wird, was ihm/ihr mehr Verständnis und vielleicht sogar (noch) mehr Sympathie für die Mathematik geben wird. Es liegt in der Natur des weiten Bogens, den das Buch spannt, dass der Leser bei weitem nicht alles auf hohem Niveau verstehen und einordnen kann (wer ist denn schon Experte sowohl in Architektur als auch in Telekommunikation?), aber wer geneigt ist, hier und da auch mal etwas zu glauben, wird großen Nutzen aus der Lektüre ziehen.